01 Juli 2009

LG Hannover: AWD ist nicht "unabhängig"

Für Vermögensverwaltungen und tatsächlich freie Finanzberater war es schon immer ein Ärgernis, wenn im Wettbewerb einige Unternehmen für sich "Unabhängigkeit" in Anspruch nahmen, die den umworbenen Kunden gegenüber ihre "strategischen Kooperationen" nicht als Interessenkonflikt eingestehen.

In Anbetracht der Unsummen, die solche Unternehmen in ihre falschen Werbeaussagen investieren, lässt sich das Prozessrisiko einer Klage wegen unlauteren Wettbewerbs erahnen - und eigentlich wären die Aufsichtsbehörden zu effektivem Einschreiten mit Signalwirkung verpflichtet.

Nun entschloss sich doch noch ein Wettbewerber zur Klage und mit Erfolg: Das Landgericht Hannover gab der klagenden DVAG recht und urteilte, dass AWD nicht mehr mit dem Begriff "Unabhängigkeit" werben darf.

Ob sich AWD geschlagen gibt oder Rechtsmittel einlegt, ist zwar noch offen, aber wenn das Urteil gut begründet ist und aus dem Streit nicht zum "Geschäft" zwischen den Kontrahenten wird, dürfte das Präjudiz bestätigt werden.
Für die erforderliche Signalwirkung wäre es sogar gut, wenn es in der Gerichtshierarchie wenigstens noch eine Etage höher ginge.

Markus Rabanus >> Diskussion

25 Mai 2009

OLG untersagt ungenaue "Freiminuten"-Werbung

OLG Düsseldorf untersagt Tele2 GmbH Werbung mit dem Slogan „Als Startgeschenk erhalten Sie von uns 180 Freiminuten.“

Der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts hat dem beklagten Telekommunikationsunternehmen Tele2 GmbH untersagt, mit der Angabe „Als Startgeschenk erhalten Sie von uns 180 Freiminuten“ zu werben. Nach Überzeugung des Senats ist die Werbung irreführend, weil das Unternehmen keine „echten Freiminuten“ gewähre, sondern lediglich eine Gutschrift von 4,18 Euro. So wäre bei dem von der Beklagten angebotenen Mobilfunktarif das „Startgeschenk“ bei Anrufen in Mobilfunknetze bereits nach 21 Minuten verbraucht gewesen.

Die Deutsche Telekom AG hatte gegen die Tele2 GmbH geklagt, weil das beklagte Unternehmen mit der genannten Formulierung geworben hatte. In einer Fußnote der Anzeige war darauf hingewiesen worden, dass die Freiminutenangabe sich auf Ferngespräche im Festnetz beziehe.

Das Landgericht Düsseldorf hatte die Beklagte bereits in erster Instanz am 8.2.2008 zur Unterlassung einer derartigen Werbung verurteilt. Die Berufung der Beklagten vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf blieb ohne Erfolg. Der 20. Zivilsenat hat sich der Auffassung des Landgerichts angeschlossen und einen Unterlassungsanspruch des klagenden Konkurrenten bejaht, weil die Werbung irreführend sei (§ 8 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 2 Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb). Die Werbung erwecke den unzutreffenden Eindruck, dass der Kunde einschränkungslos 180 Minuten in alle Netze telefonieren könne, ohne dass Telefonkosten anfielen. Tatsächlich könnten die Kunden mit dem „Startgeschenk“ jedoch bei Auslands- oder Mobilfunkgesprächen nur wesentlich kürzer telefonieren, in Mobilfunknetze nur 21 Minuten. Im Kern werde daher mit einer Gutschrift von 4,18 Euro und nicht mit Freiminuten geworben. Auch der Hinweis in der Fußnote ändere hieran nichts, weil schon die blickfangmäßige Werbung objektiv unrichtig gewesen sei. Außerdem verwirre die Fußnote mit der weiteren Formulierung „Die Freiminutengutschrift kann auch zu anderen Zeiten und Zielen genutzt werden“ und verstärke sogar noch die Irreführung.

Der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts hat nicht die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Die Beklagte kann binnen einen Monats gegen die Entscheidung Nichtzulassungsbeschwerde einlegen.

Die Entscheidung ist in etwa zwei Wochen im Internet unter www.nrwe.de abrufbar.
Urteil vom 19.5.2009, Aktenzeichen I-20 U 77/08,
Vorinstanz: Landgericht Düsseldorf, Urteil vom 8.2.2008, Aktenzeichen 38 O 143/06
Düsseldorf, 25.5.2009 Pressemitteilung Nr. 13/09

KOMMENTAR

Die Klage der Telekom AG ist angesichts ihres eigenen Tarif-Dschungels ein Treppenwitz

  • Diskussion
  • 21 Mai 2009

    Gläubiger beschließen Aus für Hertie

    Essen (Deutschland), 21.05.2009 – Die Gläubigerversammlung Hertie hat am Mittwoch in Essen mit absoluter Mehrheit von 84 Prozent der Schuldforderer beschlossen, die 54 Warenhäuser des insolventen Kaufhaus-Konzerns zum Jahresende zu schließen. Der Insolvenzverwalter Biner Bähr gab dem Eigner Dawnay Day die Schuld. Dieser wolle die Geschäftsräume einzeln vermieten und habe eine Senkung der Raummieten ausgeschlossen. Dies waren neben einem geeigneten Investor notwendige Bedingung für eine Finanzspritze gewesen.

    In den Fällen der ebenfalls angeschlagenen Konzerne Karstadt AG und Kaufhof signalisierte der ebenfalls angeschlagene Investor Arcandor Kaufinteresse und lud auch Metro AG sowie den Deutschlandchef von Goldmann Sachs zu einem Kaufhausgipfel für den kommenden Donnerstag ein. Es steht offenbar eine grundlegende Verschiebung in der Kaufhauslandschaft ins Haus.

  • Diskussionen.de
  • 03 Mai 2009

    Unsichere Konjunktur-Prognosen

    War zu Beginn des Jahres noch von einem Wirtschaftsrückgang um 1 bis 2 Prozent die Rede, so geht die Bundesregierung inzwischen von 6 Prozent aus und prophezeit für 2010 eine Rückkehr ins Wachstum mit 0,5 Prozent.

    Demgegenüber geht die EU-Kommission in ihrer jüngsten Prognose davon aus, dass sich die deutsche Wirtschaft auch im Jahr 2010 um 0,2 und 0,3 Prozent schmälere.

    Als ich die ersten Prognosen hörte ("ein bis zwei Prozent"), glaubte ich sie zwar nicht, denn die Infos über die "Finanzkrise" zeigten schon eine Dimension des Misswirtschaftens an, die viel stärker auf die Wirtschaft durchschlagen musste, weil die Großunternehmen offenbar viel höhere Kreditkapitalquoten haben als es kleineren Betrieben möglich wäre, folglich auch stärker vom permanenten Wachstum abhängig sind, obwohl die Gewinne über viele Jahre gut waren, aber im Wettbewerb um Kapitalrenditen übermäßig ausgeschüttet wurden, nicht konsolidierten. Es ist eben so, dass wer schon sieben Prozent mehr braucht, weil das der Schuldzins ist, konjunkturanfälliger ist als das eigenkapitalisierte Unternehmen.

    Für ein gesundes Unternehmen und auch für eine gesunde Volkswirtschaft dürfte es ansonsten kaum problematisch sein, wenn Wachstum ausbleibt oder die Umsätze/Gewinne rückläufig sind. Je danach, wie monopolisiert die kreditfinanzierten Wirtschaftsbereiche sind, desto mehr schlägt allerdings die Krise der Kranken auf die Gesunden durch, denn dann können die Gesunden nicht den Markt der Kranken übernehmen, weil die unrückzahlbaren Kredite inzwischen "systemisch" sind und nicht umgekehrt durch haftendes Eigenkapital übernommen werden können, ohne dass sich die Gesunden übernehmen.
    Gesundung der Wirtschaft würde Konkurse maroder Unternehmen voraussetzen. Damit lässt sich nicht Wahlkampf machen.
    Aber die "Rettungsschirme" sollten so konstruiert sein, dass sie den Aufschlag weicher machen, nicht nur die Landung hinauszögern oder zu verhindern versuchen, denn der Höhenflug von Renditeansprüchen gehört nicht nur abgebrochen, sondern auch nicht wiederholt.

    Notenbanken und Geschäftsbanken

    Japans Notenbank beließ die Leitzinsen bei 0,1 Prozent, die EZB wird womöglich auf 1 Prozent runter, die US-Leitzinsen liegen seit Dezember 2008 bei nahezu Null, was inflationsbereinigt einen Bonus auf Schuld bedeutet, hilft den Banken, wenn sie denn brauchbare Pfande zu bieten haben, aber verbesserte die amerikanischen Wirtschaftsdaten nicht, wobei nur sicher scheint, dass es ohne Leitzinstief noch schlimmer stehen könnte.

    Und änderten sich die Banken? Nach kurzem Machtkampf verlängerte Ackermann um drei Jahre nebst seiner Geschäftspolitik "25 Prozent Rendite trotz Krise".

    "Ganz toll, mutiger Mann, über die Schelte durch Bundespräsident und Päpste erhaben", werden nun wieder einige denken, die das Denken auch nach der Finanzkrise nicht lernten, denn wer als Bank solche Gewinnziele hat, hat an soliden Bankgeschäften zu wenig Interesse.

    So kommt es, dass seine Filialdeppen anrufen, ob Interesse an diesem oder jenem Derivat bestehe, anstatt einfach mal zu sagen: "Sie haben alle Kredite pünktlich zurückbezahlt. Offenbar funktioniert Ihr Geschäft. Wir würden uns wünschen, Sie bauen Ihre Dächer aus, modernisieren die Häuser, weiten Ihr Kerngeschäft aus - mit unseren Hypotheken!"

    Nichts dergleichen. Stattdessen nur Zockergeschwätz. Trotz Finanzkrise.

    Nein, die Banken sind noch blöder geworden. So bestand vor einigen Wochen eine der führenden Immobilienfinanzierer darauf, dass ein Grundschuldeintrag gelöscht wird, weil der Kunde die Grundschuld abbezahlt hatte. Der Kunde hatte angeboten, die Eintragung zu belassen, damit bei eventuellem Kreditbedarf die erheblichen Eintragungskosten gespart werden können, falls die eingetragene Bank konkurrenzfähig offeriere.

    Die Abweichung vom Schema ist keine Kunst von Bürokraten, denn das sind sie allen Vorstellungen zuwider, die naive Bewunderer von unseren Großzockern haben.

  • Diskussionen.de
  • 30 Januar 2009

    "Hypo Real" Desaster

    Die Banker der "Hypo Real Estate" betteln den Staat um weitere 10 Mrd. Euro und können "in diesen Zeiten nicht ausschließen", dass es noch mehr brauchen wird. Niemand kann mit solchen Ansagen bei Banken Kredit bekommen, aber die Banken beim Staat, und beim Wetterbericht der GEZ-Anstalten heißt es: "Dresdner Bank - die Beraterbank", nicht etwa "Pleitebank" oder "Bad Bank".
    Nichts hat sich geändert. Der Bankraub geht weiter. Zwar längst keine Anrufe mehr bei mir, denn es könnte day after publik werden, aber bei Mandanten, den Begriff "Derivate" vermeidend, dafür noch mehr schwafelnd vom "komfortablen Sicherungspolster", als seien 40 Prozent Kursschwankung für Papierwerte jemals untypisch gewesen.
    Die Frage lautet: Können die Banker überhaupt anders? Eine Umstrukturierung des Geschäfts von Kurzläufern auf Langfristen ist besonders in der Krise schwierig, zumal bei aller Deflation infolge von Nachfrageeinbruch und Überproduktion eben doch Pleiten und Inflation drohen, also jede langfristige Kapitalvergabe verleidet. Bei drohender Inflation ist die Kreditaufnahme für die Unternehmen viel attraktiver, machen die fetten Renditeversprechen auf emittierte Pfandbriefe billiger. Und trotzdem tun sie sich mit der Vermarktung schwer, denn die Risiken von Inflation und Insolvenz sind schon zu groß geworden. Deshalb bleibt der Finanzmarkt kurzatmig.
    Pumpwirtschaft
    Der Staat fördert dieses kurzfristige Sein z.B. mit der "Abwrackprämie", die dem Grunde nach eine Prämie auf Kredite für die Neuanschaffung von Autos ist, die der Verbraucher (noch) gar nicht braucht, ihn in die Abhängigkeit und Privatinsolvenz lockt, nicht aber in die Konsolidierung. Unverdrossen wird die "Wirtschaft auf Pump" propagiert, wobei zwar zwischen produktiven und konsumptiven Ausgaben zu unterscheiden lohnt, aber letztlich führt jede Pumpwirtschafterei zum Verlust an Verantwortlichkeit, zum Verlust an wirklichen Unternehmern und zum Stellenpool für Spinner, die ihre Netzwerke managen, ohne Verantwortung für die Firmen. Die Manager sind die eigentlichen "Ich-AGs" des postkapitalistischen Wirtschafts- und Politiksystems.
    Politische Unruhen
    Hunderttausende demonstrieren derweil in Paris gegen die "Konjunkturpakete", in Island wurde die Regierung wegdemonstriert, in Irland, wo die Leute keine Lust verspürten, irgendwann der EU heim zu zahlen, was man von ihr für den Boom erhalten hatte, brechen die Kartenhäuser zusammen. Sogar der Schweiz geht es schlecht, weil die Abkasse unterschlagener Steuern den dortigen Bankern nicht reichte und auch sie der Sucht nach Geld aus dem Geld frönten.
    Wie ändern?
    Das ist eine Frage des Steuersystems, wenn die Arbeit zu hoch besteuert wird, Kapitalerträge zu niedrig besteuert werden und sich verflüchtigen dürfen.
    -markus rabanus- >> Diskussion